In den letzten Jahren beobachte ich einen raschen Anstieg der Kurzsichtigkeit bei Kindern, auch schon im Vorschulalter. Eltern fragen mich oft, ob sie etwas tun können, um das Fortschreiten der Fehlsichtigkeit zu verlangsamen. Die Antwort lautet: Ja – mehr denn je. Die moderne Augenheilkunde bietet wirksame Lösungen zur Hemmung des Augenlängenwachstums, das die Hauptursache für Kurzsichtigkeit ist. In diesem Beitrag stelle ich die neuesten Methoden vor, mit denen Sie das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit wirksam beeinflussen und so die Augengesundheit Ihres Kindes fördern können.
Kurzsichtigkeit ist zu einem der häufigsten Sehprobleme im Kindesalter geworden. Die Zahl der Kinder mit Fehlsichtigkeit nimmt rapide zu, und die Ursache liegt nicht nur in der Genetik. Das Problem ist vor allem der veränderte Lebensstil. Viel Zeit in Innenräumen, oft vor Bildschirmen und zu wenig Bewegung im Freien. Auch wenn sich die Fehlsichtigkeit ohne Operation nicht „beseitigen“ lässt, kann ihr Fortschreiten während des Wachstums des Kindes wirksam verlangsamt werden. So verhindern wir, dass sie im Erwachsenenalter in eine hohe Kurzsichtigkeit übergeht. Diese ist mit einem höheren Risiko für viele ernsthafte Augenerkrankungen verbunden. Entscheidend für eine erfolgreiche Kontrolle des Fortschreitens der Kurzsichtigkeit sind ein frühzeitiges und richtiges Handeln.
Der erste Schritt ist immer das rechtzeitige Erkennen des Problems. Sobald die erste Minus-Dioptrie auftritt, insbesondere im frühen Kindesalter, muss schnell gehandelt werden. Ein früher Beginn der Kurzsichtigkeit bedeutet ein höheres Risiko für hohe Dioptrien im Erwachsenenalter. Eine der ersten Maßnahmen ist die Verschreibung einer geeigneten Brille. Im Gegensatz zur alten Überzeugung, dass es besser sei, sich möglichst spät an eine Brille zu gewöhnen und dass die Korrektur der Fehlsichtigkeit unvollständig sein sollte, gilt heute: Die Brille sollte so früh wie möglich mit voller Korrektur verschrieben werden. Allein diese Maßnahme verringert bereits die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Kurzsichtigkeit. Noch wirksamer sind spezielle Gläser, die so konzipiert sind, dass sie dem Auge optische Signale senden, die das Wachstum des Auges hemmen. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die Erkenntnisse über den sogenannten peripheren Defokus nutzt, bei dem das Licht in der Peripherie nicht genau auf der Netzhaut gebündelt wird, was das Augenwachstum anregt. Mit speziellen Brillengläsern wird dieses Signal abgeschwächt und somit das Wachstum des Auges verlangsamt.
Neben Brillen gehört heute die Anwendung von Augentropfen mit niedriger Atropinkonzentration (z. B. 0,01 % oder 0,05 %) zu den wirksamsten Mitteln zur Hemmung der Kurzsichtigkeit. Obwohl Atropin schon lange bekannt ist und in höheren Konzentrationen zur Pupillenerweiterung verwendet wird, haben Studien gezeigt, dass es in niedrigen Dosen anders wirkt. Es beeinflusst Netzhaut und Aderhaut, wo es die biologischen Mechanismen verlangsamt, die zum Augenwachstum führen. Die Wirksamkeit dieser Tropfen ist besonders im Alter zwischen 5 und 14 Jahren hoch, da sich das Auge in dieser Zeit am schnellsten entwickelt und somit das Wachstum besser verlangsamt werden kann. Neben Brillen und Tropfen gibt es auch weiche Kontaktlinsen, die speziell zur Verlangsamung des Fortschreitens der Kurzsichtigkeit entwickelt wurden. Diese Linsen wirken ähnlich wie Brillen mit peripherem Defokus – sie senden gemischte optische Signale an das Auge, die dessen Wachstum hemmen. Sie werden tagsüber getragen, was dem Kind scharfes Sehen ohne Brille ermöglicht und gleichzeitig zur Kontrolle des Fortschreitens der Fehlsichtigkeit beiträgt. Klinische Studien zeigen, dass diese Kontaktlinsen bei Kindern über 8 Jahren das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 50 % wirksam verringern können. Die Linsen sind weich, komfortabel und an das Kinderauge angepasst. Ich betone jedoch immer, wie wichtig es ist, das Kind in der richtigen Hygiene und im Umgang mit den Linsen zu schulen.
Alle genannten Methoden werden durch etwas ergänzt, das sehr einfach klingt, aber oft vernachlässigt wird – regelmäßige Bewegung im Freien. Natürliches Tageslicht, insbesondere starkes Sonnenlicht, fördert die Ausschüttung von Dopamin in der Netzhaut, das als natürliche Bremse für das übermäßige Augenwachstum wirkt. Empfohlen werden mindestens zwei Stunden Bewegung im Freien pro Tag. Zudem ist es wichtig, die Bildschirmzeit und Naharbeit, insbesondere ohne Pausen, zu reduzieren.
Wenn bei Jugendlichen ein schnelles Fortschreiten der Fehlsichtigkeit festgestellt wird, sollte auch eine Erkrankung der Hornhaut namens Keratokonus ausgeschlossen werden, die Sehänderungen verursachen kann. In diesen Fällen wird mit einer speziellen Untersuchung (Hornhauttopographie) geprüft, ob es sich um eine Erkrankung handelt, die eine spezielle Behandlung erfordert.
Die Hemmung der Kurzsichtigkeit ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität. Mit einem rechtzeitigen Beginn – idealerweise im Alter zwischen 5 und 14 Jahren, der Kombination verschiedener Ansätze und Unterstützung zu Hause kann das Fortschreiten der Fehlsichtigkeit deutlich verlangsamt werden. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein rechtzeitiges und konsequentes Handeln, das die beschriebenen Hilfsmittel und eine Änderung der Gewohnheiten umfasst.
Praktische Tipps für Eltern:
- Achten Sie auf Anzeichen von Sehproblemen (z. B. häufiges Blinzeln, Nahhalten von Bildschirmen, schlechtes Sehen an der Tafel).
- Nehmen Sie an systematischen Augenuntersuchungen teil – die erste bereits im Alter von 3 Jahren.
- Wenn Ihr Kind eine Minus-Dioptrie hat, fragen Sie den Augenarzt nach einer Brille mit Gläsern zur Hemmung der Kurzsichtigkeit.
- Erwägen Sie Atropin-Augentropfen – insbesondere, wenn Ihr Kind zwischen 5 und 14 Jahre alt ist und die Fehlsichtigkeit schnell zunimmt.
- Bei Kindern über 8 Jahren denken Sie über weiche Kontaktlinsen zur Kontrolle der Kurzsichtigkeit nach, die tagsüber getragen werden.
- Fördern Sie täglich mindestens 2 Stunden Bewegung im Freien, insbesondere bei natürlichem Tageslicht.
- Begrenzen Sie die Bildschirmzeit und überwachen Sie die Zeit, die Ihr Kind mit Naharbeit verbringt (Lesen, Tablets).
- Wenn die Dioptrie schnell zunimmt, lassen Sie Keratokonus ausschließen.